„Das hätte ich ehrlich gesagt, gar nicht so erwartet“ Interview mit dem Komponisten Daniel Smutny

Die Stadtkapelle Lahr blickt musikalisch auch gerne mal über den musikalischen Tellerrand hinaus: Zu einem musikalischen Erlebnis der besonderen Art lädt das Orchester am Samstag, 15. Juni 2024, ab 19 Uhr ins Lahrer Parktheater und den angrenzenden Stadtpark ein (kurze Konzerteinführung um 18:15 Uhr). In Kooperation mit dem Freiburger Profiensemble für Neue Musik bringen die Akteure unter der musikalischen Gesamtleitung von Nicholas Reed das speziell für diese beiden Ensembles und die dortigen Örtlichkeiten komponierte Werk „The Planting Chronicles“ des renommierten Komponisten Daniel Smutny zum Klingen.

Wir haben uns mit dem Komponisten unterhalten.

Herr Smutny, wie kam es zu der Zusammenarbeit mit der Stadtkapelle Lahr?
Der Kontakt kam über ein Gespräch mit Nicholas Reed zustande. Wir sprachen über künstlerische und soziologische Ideen der Partizipation, da dies einen großen inhaltlichen Antrieb in meiner künstlerischen Arbeit darstellt. Nicholas Reed schilderte mir dann die Möglichkeit, ein Projekt mit der Stadtkapelle Lahr in Kooperation mit dem Ensemble Aventure zu initiieren.
Mich hat diese Idee begeistert.


Was macht den Reiz aus, mit einem Amateurorchester zusammen zu arbeiten, das in der sinfonischen Blasmusik zu Hause ist?
Zunächst reizt es mich immer wieder auch etwas zu machen, was sozusagen außerhalb meiner Komfortzone liegt. Ich habe zwar bereits ein paar Projekte mit Laien und semiprofesionellen Ensembles in Kooperation mit Profis gemacht, allerdings in der Tat noch nie in der sinfonischen Blasmusik – eine Welt, die mir eher fremd ist. Das hilft dann aber auch dabei, auf neue, ganz andere Ideen zu kommen als sonst.
Hinzu kommt, dass mich der Gesamtklang sehr fasziniert und natürlich, dass es ein Musizieren ist, das in einer „Community“ verankert ist.


Was ist das Besondere an Ihrer Komposition? Was hat es mit den Planting Chronicles auf sich?
Ich denke, das Besondere ist, dass es ein „begehbares Orchesterstück“ ist, in dem das Publikum frei seine eigenen Hörpositionen einnehmen und wechseln kann. Es kann den Musizierenden sehr nah sein – quasi über die Schulter schauen, oder in sehr weitem Abstand von diesen eine Fernmusik erleben.

Der Titel des Stückes bezieht sich auf die klangökologische Idee der Saatkalender, die dem Florilegium des Basilius Besler – einem virtuos zeichnerisch bebil-dertem Pflanzenbuch des Bastionsgartens Willibaldsburg in Eichstätt – ent nommen sind. So wie in diesem historischen Buch die Kulturpfanzen des Gartens im Kloster aufgezeichnet sind, so sind in der Partitur von Planting Chronicles „Kulturklänge“ des „Biotops Blasorchester“ verzeichnet. Diese Idee wird dann in den Stadtpark Lahr mit seiner Pflanzenpracht hineingetragen.

Sie haben bereits in Lahr geprobt. Wie ist Ihr Eindruck?
Ich bin sehr beeindruckt von dem Engagement, der Offenheit und Experimentierfreudigkeit der Stadtkapelle. Das hätte ich ehrlich gesagt, gar nicht so erwartet. Im Grunde sind viele meiner Ideen durch die Kappelle noch weiter vorangetrieben, ergänzt und erweitert worden. Das Motto war also nicht: „Das geht nicht“. Sondern: „Wir schauen mal, was (noch) alles gehen kann.“ Das ist natürlich großartig für mich als experimenteller Klangkünstler, der nach sehr besonderen und speziellen Klängen und Komnzertsituationen auf der Suche ist.


Warum sollte man das Konzert besuchen? Was geben Sie jemand mit, der bisher erst wenig Kontakt zu neuer Musik hatte?

Normalerweise sitzen wir in einem Konzert im Saal, fest in Stuhlreihen und hören Musikstücken zu, die zu einem Programm zusammengestellt worden sind. In Planting Chronicles hat das Publikum die Möglichkeit die Abläufe – das was bei einem Konzert sonst so automatisch im Hintergrund abläuft – einmal bewusst zu erleben Wer Musik wie Planting Chronicles hört, wird ganz neue Situation erleben, neue und unbekannte Klänge von den Instrumenten hören, die Aufführungsorte (Konzerthaus, Stadtpark) mit einem anderen Blick als sonst üblich betrachten und ein Gefühlt der Offenheit, der Freiheit und das Mutes gegenüber dem bisher Unbekannten verspüren können. Das Stück lädt dazu ein, neue Perspektiven auf das Ritual des Konzertes einzunehmen, was ja buchstäblich durch das Umherwandern im Stück passiert.

Was ist für Sie das Besondere an neuer Musik? Warum komponieren Sie nicht „herkömmlich“?

Kurz: Die Freude am Entdecken des Unbekannten; das Wagnis und Risiko, Pfade zu beschreiten, die noch nicht befestigte Wege sind.

Zur Person:

Der Komponist Daniel Smutny (geb. 1976) lebt in Bielefeld. Er war als künstlerischer Leiter für diverse Institutionen tätig, wie etwa dem MDR Leipzig, dem Festspielhaus Hellerau und dem Staatstheater Stuttgart. Seine Werke wurden im In- und Ausland u. a. in der Dresdner Semperoper, der Staatsoper Stuttgart, dem Gewandhaus zu Leipzig, dem Festival ECLAT, den Donaueschinger Musiktagen, der musica viva des BR, der Musik der Zeit des WDR, dem Ultraschallfestival Berlin und den Schwetzinger Schlossfestspielen aufgeführt.